«Die Exzellenz des Gesundheitssystems hat ihren Preis»

«Die Exzellenz des Gesundheitssystems hat ihren Preis»

Gemäss einer Analyse der OECD und WHO gehört das Schweizer Gesundheitswesen zur Weltspitze. Gleichzeitig sei es aber auch teuer, ineffizient und zu wenig transparent.

Keine spektakulären Elemente: Pascal Strupler, Direktor des Bundesamts für Gesundheit, über den Bericht der WHO.

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(Bild: Keystone )

Das Gesundheitssystem der Schweiz ist leistungsstark und es befriedigt die Bedürfnisse der Patienten. Zu diesem Schluss kommt eine Analyse von OECD und WHO. Das Gesundheitswesen sei aber auch nach wie vor teuer, ineffizient und zu wenig transparent.

Für John Martin, Leiter der Direktion Soziales bei der OECD, gehört das Schweizer Gesundheitssystem zur Weltspitze, wie er bei der Präsentation des Berichts am Montag in Bern sagte. «Doch die Exzellenz hat ihren Preis.»

Die Gesundheitsausgaben in der Schweiz lagen für das Jahr 2009 bei 11,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Nur sechs OECD-Länder wiesen einen höheren Prozentsatz auf. Unter den 26 Reformempfehlungen, die im Bericht aufgelistet werden, finden sich deshalb zahlreiche Vorschläge zur Kostenreduktion.

Die Frage nach der Einheitskasse

So schlägt der Bericht vor, die Vertragsfreiheit zwischen Versicherern und Leistungserbringern schrittweise zuzulassen. Zwar könne die Bevölkerung heute unter einer grossen Zahl von Krankenkassen auswählen. Der Prämienwettbewerb zwischen den Anbietern spiele aber nur beschränkt. Dies zeige sich in der kleinen Zahl der Versicherten, die sich für einen Kassenwechsel entscheiden würden.

Auf die Möglichkeit einer Einheitskrankenkasse angesprochen sagte Martin, es gebe Argumente dafür und dagegen, die OECD habe diesbezüglich keine Präferenzen. Es sei nicht die Aufgabe einer internationalen Organisation, in dieser Frage Position zu beziehen.

Strupler: Auf gutem Weg

Der Bericht enthalte keine «spektakulären» Elemente, sagte der Direktor des Bundesamts für Gesundheit (BAG), Pascal Strupler, vor den Medien. Die Schweiz befinde sich auf gutem Wege. Die Analyse zeige aber auch auf, dass zusätzliche Anstrengungen bei der Prävention unternommen werden müssten.

Während die OECD-Länder durchschnittlich 3,1 Prozent ihrer Gesundheitsausgaben für die Prävention aufwenden, fliessen in der Schweiz nur 2,3 Prozent der Ausgaben in die Vorbeugung (Stand 2008). Umso entscheidender sei das Präventionsgesetz, sagte Strupler. Das umstrittene Geschäft befindet sich derzeit zur Beratung im Parlament. Ziel ist ein verstärktes Engagement des Bundes.

WHO befürwortet Ärztenetzwerk

Strupler verwies auf weitere Reformanstrengungen wie die neue Spitalfinanzierung und die Managed-Care-Vorlage. Erstere tritt Anfang 2012 in Kraft. Die Einführung von leistungsbezogenen Pauschalen sei ein wesentlicher Schritt zur Effizienzsteigerung, heisst es dazu in der Analyse.

Die Managed-Care-Vorlage wurde in der Herbstsession vom Parlament gutgeheissen, die Ärzteschaft kündigte allerdings ein Referendum an. Gemäss dem Bericht von OECD und WHO kann mit Ärztenetzwerken Qualität, Effizienz und Koordination der Versorgung verbessert werden. Die Vorlage sieht vor, dass wer weiterhin auf der freien Arztwahl beharrt, einen höheren Selbstbehalt berappen muss. Unter den Empfehlungen wird auch die Einführung eines elektronischen Patientendossiers aufgelistet. Eine entsprechende Vorlage befindet sich zurzeit in der Vernehmlassung.

Zunahme chronischer Krankheiten

Die Anstrengungen gehen den Experten aus OECD und WHO aber zu wenig weit. «Um sich den zukünftigen Herausforderungen stellen zu können, wird sich das heutige schweizerische Gesundheitssystem anpassen müssen.» Dieses werde in Zukunft durch die steigende Zahl chronischer Krankheiten belastet, warnt der Bericht. Die Fettleibigkeit zum Beispiel sei zwar noch wenig verbreitet, nehme aber stetig zu.

OECD und WHO hatten das Schweizer Gesundheitssystem bereits 2006 unter die Lupe genommen. Die Kritik in der zweiten Analyse gleicht der ersten: Schon damals wurden die hohen Kosten und die fehlende Effizienz angeprangert. Das konsensdemokratische aufgebaute politische System der Schweiz habe Verzögerungen bei den Reformbestrebungen zur Folge, heisst es in der Analyse.

(jak/sda)

Erstellt: 17.10.2011, 15:45 Uhr