Interview mit Herrn Alexander Rödiger, Merck Sharp & Dohme-Chibret AG

Interview mit Herrn Alexander Rödiger, Merck Sharp & Dohme-Chibret AG

Frau Lorena Riboli schrieb ihre Dissertationsarbeit über den Gesundheitsmarkt. Der volle Titel der Arbeit lautet “Der Gesundheitsmarkt im Umbruch? Der Einfluss von Online Communities auf den Medikamentenmarkt”. Im Rahmen dieser Dissertationsarbeit erstellte Frau Riboli 8 Interviews mit Opinionleaders. Das fünfte Interview lesen Sie nachfolgend.

Fragebogen schriftlich beantwortet von Herrn Alexander Rödiger, Manager bei Healthcare Affairs, Merck Sharp & Dohme-Chibret AG am 18.10.07:

Welchen einen Einfluss haben Online Communities/Foren auf den Gesundheitsmarkt und Medikamentenmarkt?
Der Einfluss hängt von der Internet-Nutzung ab. Wie bekannt ist, sind es nach wie vor Jüngere, die das Internet nutzen und die entsprechenden Kompetenzen besitzen. Allerdings wird sich dies mit der Zeit ändern, da die Internet-Generation älter wird. Wie die Studie des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich zudem gezeigt hat, ist das Internet unter Quellen für Gesundheitsinformation an dritter Position (www.gesundheitskompetenz.ch), was darauf hinweist, dass die Bedeutung hoch ist. Aus Sicht der Industrie haben diese Foren einen sehr grossen Einfluss, da lediglich Medizinalpersonen Zugang zu Informationen für verschreibungspflichtige Medikamente haben respektive die pharmazeutische Industrie nicht direkt informieren darf. Solche Foren bieten Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, Informationen auszutauschen.

Inwiefern haben Online Communities/Foren die Beziehung zwischen Arzt und Patient verändert?
Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass die Patienten von heute aktiver an der Entscheidung über die Behandlung teilnehmen möchten (vgl. auch www.gesundheitskompetenz.ch). Da es heute zahlreiche verschiedene und nicht nur Online-Informationsquellen gibt, dürfte es schwierig sein, zu sagen, welcher Kanal welche Veränderung bewirkt hat.

Welches sind die Folgen dieser Veränderung (Frage 2) für das Gesundheitswesen respektive für den Medikamentenmarkt?
Bürgerinnen und Bürger sind informierter, sie nehmen in Bezug auf ihre Gesundheit eine aktivere Rolle ein. Wie jedoch die oben erwähnte Studie ebenfalls gezeigt hat, gibt es nach wie vor einen Gra-ben zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Das Bedürfnis, eine aktive Rolle zu spielen, ist grösser als die effektive Möglichkeit. Als Hauptgrund wird der Mangel an Information angegeben.

Wo stehen wir heute mit der Informationsasymmetrie der Patienten?
Die Asymmetrie ist sicher nicht mehr derart ausgeprägt, wie vor zehn, zwanzig Jahren. Allerdings gibt es sie noch (siehe 3). Eine 1:1-Beratung mit der Möglichkeit, Fragen zu stellen, erhält der Patient erst, wenn er beim Arzt ist. Und der Arztbesuch dauert in der Regel 10-15 Minuten. Davor (Wissen um Krankheit, Bewusstsein eigenes Risiko, Entscheid, zum Arzt zu gehen) und danach (Therapie, Lebensstiländerung, Compliance) hat er oft keine Unterstützung. Kommt hinzu, dass die Information, die der Patient erhalten kann, insbesondere im Bereich verschreibungspflichtiger Medikamente, sehr stark reglementiert ist (siehe Art. 31 und 32 Heilmittelgesetz).

Wie sieht die zukünftige Entwicklung der Informationsasymmetrie aus?
Der Trend geht dahin, dass Informationen über Gesundheitsthemen zunehmen werden (vgl. GDI-Studie im Auftrag des Eidg. Departement des Innern; vgl. E-Health-Strategie des Bundes etc.), weil auch ein Bedürfnis da ist.

Was charakterisiert eine vertrauenswürdige Online Community/Forum?
Verständlichkeit, Ausgewogenheit, Transparenz und Kompetenz (des Schreibers). Inwiefern könnte man interessensbezogene Informationen über Online Communities verbreiten und wann würde man gestoppt? (wo liegen die Grenzen) Das Heilmittelgesetz gibt hier – was verschreibungspflichtige Medikamente anbelangt – klare Vorgaben. Informationen über verschreibungspflichtige Medikamente sind nicht erlaubt, wohl hingegen Informationen über Krankheitsgebiete.

Wie können Pharmafirmen mit Online Communities zusammenarbeiten?
Die einzige Möglichkeit besteht im Bereich der Information über Krankheitsgebiete.

Kennen Sie den Begriff SWISS PALS? Wenn ja, was ist Ihre Meinung dazu?
Wir kennen SwissPALS, da wir uns aktiv an dieser Plattform beteiligen. Die Plattform dient dem Informationsaustausch zwischen einzelnen Patientenorganisationen und pharmazeutischen Unternehmen. Im Vordergrund stehen gesundheitspolitische Themen, aber auch Themen die die Patientenorganisationen direkt betreffen sowie insbesondere die Patienten selbst. Zur Zeit werden verschiedene Seminare zum Thema „Non-Profit-Organisation“ durchgeführt, wobei externe Referenten über einzelne Themen wie Organisationsstruktur, Finanzierung oder Kommunikation referieren, die für NGOs von Bedeutung sind. Für uns ist diese Plattform wichtig, da wir hier kennen lernen, wie wir wahrgenommen werden, aber auch was die Bedürfnisse der Patienten(organisationen) sind.