Interview mit Klaus Eichler, Arzt und Dozent an der ZHAW

Interview mit Klaus Eichler, Arzt und Dozent an der ZHAW

Frau Lorena Riboli schrieb ihre Dissertationsarbeit über den Gesundheitsmarkt. Der volle Titel der Arbeit lautet “Der Gesundheitsmarkt im Umbruch? Der Einfluss von Online Communities auf den Medikamentenmarkt”. Im Rahmen dieser Dissertationsarbeit erstellte Frau Riboli 8 Interviews mit Opinionleaders. Das zweite Interview lesen Sie nachfolgend.

Fragebogen schriftlich am 5.10.07 beantwortet von Herrn Eichler, Arzt und Dozent an der ZHAW:

Welchen Einfluss haben Online Communities/Foren auf den Gesundheitsmarkt?
Das hängt, glaube ich, von der Fokussierung auf bestimmte Themen ab. Handelt es sich um bestimmte Themen, die dort behandelt werden (z.B. Vor- und Nachteile eines Screenings auf Mamma-Karzinom), so können fundierte Informationen die Patienten/Bürger erreichen und ihr Verhalten, und ihre An-sprüche beeinflussen. Allgemeine Chats über „Gesundheit“ sind zu unspezifisch, um eine Wirkung zu entfalten (ausser der Wirkung, dass man sich mitteilen kann…). Die Bonität der Informationsquellen kann eine Rolle spielen (z.B. haben verschiedene medizinische Journals spezielle Ausgaben von ein-zelnen Artikeln in nicht Mediziner-Sprache für Patienten).

Inwiefern haben Online Communities/Foren die Beziehung zwischen Arzt und Patient verändert?
Patienten besorgen sich Informationen vor einem Arztbesuch. Chancen: Patienten können besser in ein „Shared decision making“ eingebunden werden; evtl. höhere Therapietreue, wenn mehr Wissen vorhanden ist. Risiken: Ärzte erleben es als Einmischung in ihre Expertise und reagieren mit Abwehr; die Qualität der Information auf dem Web kann schlecht beurteilt werden und ist oft nicht sehr hoch (dazu gibt es empirische Belege; Studien im British Medical Journal); Patienten klammern sich an irgendwelche Therapien, mit denen andere Leute Geld machen und die nicht wirksam oder schädlich sind (denn irgendwas findet man auf Google immer, das einen bestätigt in der Hoffnung, dass es da noch ein Wundermittelchen gibt…)

Welches sind die Folgen dieser Veränderung für das Gesundheitswesen respektive für den Medikamentenmarkt?
Bei den Medikamenten sehe ich Veränderungen evtl. bei der Information über Internetapotheken, auf die evtl. ausgewichen wird, aber das dürften bei rezeptpflichtigen Medikamenten nur wenige renommierte Anbieter sein. Für den rezeptfreien Markt gibt es wohl einen deutlich höheren Absatz als für rezeptpflichtige Medikamenten.

Wo stehen wir heute mit der Informationsasymmetrie der Patienten?
Die Asymmetrie ist weniger stark als sie schon war, aber wenn bereits Spezialisten Mühe bekunden mit neuen Erkenntnisse Schritt zu halten, so ist das für Patienten sicher nicht leichter geworden. Wenn Patienten sich bei einer seriösen Quelle informieren können (z.B. Selbsthilfegruppen, die nicht Industrie-gesponsert sind; öffentliche Behörden mit web-info), dann ist die Asymmetrie für Medienkompetente Personen („Health literacy“) geringer als früher. Das gilt aber nur für eine Minderheit, glaube ich.

Wie sieht die zukünftige Entwicklung der Informationsasymmetrie aus?
Schwer zu sagen, wird sich aber eher angleichen.

Was charakterisiert eine vertrauenswürdige Online Community/Forum?
Infos von öffentliche Behörden; Institute von Bildungseinrichtungen; Patientenvertretungen

Wie können Pharmafirmen mit Online Communities zusammenarbeiten?
Bekannt ist die Zusammenarbeit mit Patientengruppen: Es erfolgt Sponsoring der Gruppen, die Gruppe verkündet „Patienten-Bedürfnisse“, die das Produkt der Pharmafirma pushen sollen.

Kennen Sie den Begriff SWISS PALS? Wenn ja, was ist Ihre Meinung dazu?
Ist mir nicht bekannt.