Interview mit Margrit Kessler, Präsidentin SPO

Interview mit Margrit Kessler, Präsidentin SPO

Frau Kessler, Sie sind Präsidentin der SPO (Schweizerische Patienten- und Versicherungs-Organisation) und gefragt als Gesprächspartnerin und Verfasserin von Stellungnahmen und Kolumnen zur Gesundheitspolitik in den Medien. Bekannt auch als mutige Kämpferin: so haben sie aufgedeckt, dass ein Facharzt in einem St. Galler Spital einen Forschungsversuch an 150 Patienten durchgezogen hat, unabhängig vom Gesundheitszustand der Betroffenen und ohne die Patienten vorgängig darüber zu informieren. Sie wurden vom Arzt eingeklagt und im Februar 2007 durch das Kantonsgericht St. Gallen freigesprochen.

Kessler MargritMargrit Kessler: Dieser Gerichtsfall hat mich tatsächlich viel Kraft gekostet. Ich wusste ja, dass ich zu Recht auf den Missstand hingewiesen hatte. Die Gutachten von drei ausgewiesenen Fachärzten haben das unabhängig von einander bestätigt.

Der Vorfall belegt, wie wichtig es ist, dass es Organisationen wie die SPO gibt, welche sich für die Rechte der Patienten einsetzen.

Kessler: Gewiss. Wir von der SPO erhalten pro Jahr 4000 Anfragen. Rund 50 % davon betreffen Probleme rund um Ärzte. Daraus ergeben sich nur etwa 170 eigentliche Haftpflichtfälle. Die Ärzte sollten uns dankbar sein, dass wir ihnen so viele Probleme abnehmen.

Wer meldet sich bei Ihnen? Und mit welchen Anliegen?

Bei uns melden sich persönlich Betroffene, Angehörige, Rechtschutzversicherungen, Krankenkassen, auch Ärzte, sowohl mit rechtlichen, als auch mit finanziellen oder medizinischen Problemen. Wir behandeln alle Anfragen und klären die Probleme ab mit Gutachten von externen Fachleuten und Juristen. Grundsätzlich beraten wir unsere Kunden so, dass sie sich selbst für ihre Rechte einsetzen können. Von den 170 möglichen Sorgfaltspflichtverletzungen erledigen wir 95 % aller Fälle aussergerichtlich.

Unsere Arbeit wird auf breiter Ebene anerkannt und von den Standortkantonen finanziell unterstützt. Neu hat uns auch der Bund um Mitarbeit angefragt, um Daten für die Qualitätssicherung im Gesundheitswesen festzulegen – obschon wir vom Bund bis heute keine finanzielle Unterstützung erhalten.

Was kostet eine Abklärung einer möglichen Sorgfaltspflichtverletzung?

Ab 1. Juli 2007 verrechnen wir 90 Franken pro Stunde, das ergibt pro Fall etwa 500 bis 800 Franken. Dazu gehören das Einholen der Krankengeschichte, die Abklärung mit einem juristischen Berater und das Schreiben des Berichtes.

Wie sind Sie zu Ihrem Amt gekommen?

Mein Fachwissen verdanke ich meinem Beruf als Krankenschwester. Neben der Sorge für meine Familie mit vier Söhnen habe ich zu 30 bis 40 % auf der Intensivstation eines Spitals gearbeitet. Seit 1996 arbeite ich bei der SPO. Angefragt wurde ich von NR Romy Dormann, sie selber wurde angefragt, hatte aber schon zu viele Ämter. Die SPO, als Verein im Jahr 1981 gegründet, wurde 1990 in eine Stiftung umgewandelt.

Wo arbeiten Sie?

Die SPO führt Büros in Zürich, Bern, Olten, St. Gallen und in Lausanne mit insgesamt 16 Mitarbeiterinnen und 550 Stellenprozenten. Ich arbeite zwei Tage in Zürich, die übrige Zeit zu Hause, oder ich bin an Sitzungen in Zürich, Bern und Basel. Die Arbeit macht mir Spass und Freude. Der Job ist auch mein Hobby. Wir haben Erfolg, und ich möchte noch eine Weile dabei bleiben.

Wo wohnen, wo erholen Sie sich?

Ich wohne mit meiner Familie in Altstätten SG. Ich treibe gerne etwas Sport, fahre Ski und surfe gerne im Meer. Ich liebe klassische Musik und die Oper, die ich auch sehr gerne in Zürich besuche.

Welche gesundheitspolitischen Probleme beschäftigen Sie?

Zur Zeit setze ich mich dafür ein, dass im Gesundheitswesen die Kantonsgrenzen gelockert und aufgehoben werden. Im Grenzbereich zwischen Kantonen ergeben sich heute groteske Situationen, wenn Patienten ihr weiter weg gelegenes Kantonspital aufsuchen müssen, weil die Krankenkasse die Behandlung im näher gelegenen Spital des Nachbarkantons nicht finanzieren will. Das ist doch Unsinn. Die Kantonsgrenzen lassen sich auch nicht rechtfertigen mit der Spitalplanung: im allgemeinen bevorzugen Patienten das nächstgelegene Spital..

Wie beurteilen Sie die Entwicklungen im Gesundheitswesen?

Die Schweiz verfügt über ein hochstehendes Gesundheitswesen, auf das wir stolz sein dürfen. Hohe Kosten verursachen heute die Medikamente durch eine fragwürdige Preispolitik. Kriegen wir die Medikamentenpreise nicht in den Griff, so stehen wir vor der Gefahr einer Drittklassmedizin: Patienten, die ein notwendiges, sehr teures Medikamente nicht bezahlen können, werden dieses nicht mehr bekommen.

Dabei wäre das Problem lösbar: ein neues Medikament, das mit hohen Kosten entwickelt wurde, kann und soll wesentlich billiger abgegeben werden, sobald der Anwendungsbereich erweitert werden kann.

Also liegt Mymedy richtig mit dem Angebot an Kostenvergleichen für Medikamente?

Absolut. Es ist heute sehr wichtig, Transparenz zu schaffen im Medikamentenangebot. Der Patient muss sich informieren und das günstigste Medikament verlangen können.

Was empfehlen Sie den Patienten?

Der Patient muss heute bereit sein, Selbstverantwortung zu tragen.
Die teuersten Jahre im Gesundheitswesen sind die zwei letzten Lebensjahre.
Der Patient sollte die für ihn optimale und nicht die maximale medizinische Behandlung wählen, dazu gehört auch die palliative Behandlung.

Frau Kessler, wir sind Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen dankbar für ihren Einsatz und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.