klagen auf hohem Niveau !

Trotz verordneten Preissenkungen: Die Pharmabranche verdient gut

Von Andreas Möckli. Aktualisiert am 16.03.2013
Komentare (Link) online BaZ

Der Gesamtmarkt ist nur leicht gewachsen, doch einzelne Firmen wie Novartis, Roche und Merck haben markant zugelegt. Dennoch kritisieren die Unternehmen die Preispolitik des Bundes.

Vertreter der Pharmaindustrie klagen regelmässig über die vom Bund verordneten Preissenkungen von Medikamenten. So auch vor knapp zwei Monaten, als die neusten Marktzahlen der Branche vorgestellt wurden. Diese zeigten, dass die Pharmafirmen 2012 in der Schweiz mit Medikamenten rund 5,1 Milliarden Franken umsetzten, ein Plus von 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dies sei im langjährigen Vergleich ein geringes Wachstum, sagte Thomas Binder, Geschäftsführer des Branchenverbands Vips. Dieser besteht aus rund 70 Firmen, vorwiegend Schweizer Ablegern ausländischer Pharmakonzerne. «Wenn wir drei Jahre in die Zukunft schauen, dann sieht es aus unserer Sicht noch etwas düsterer aus», klagte Binder. «Wir gehen davon aus, dass der Markt stagnieren wird.»

Der Vips-Geschäftsführer spielt damit auf die vom Bundesrat verordneten Preissenkungen an. Diese wurden vor allem wechselkursbedingt beschlossen und über drei Jahre gestaffelt. Der erste Schritt wurde im letzten November vollzogen, als die Preise eines Drittels aller rezeptpflichtigen Medikamente gesenkt wurden. Insgesamt rechnet die Pharmaindustrie aufgrund der Preissenkungen damit, über die nächsten drei Jahre eine Einbusse von rund 1,4 Milliarden Franken hinnehmen zu müssen.

Margen bis zu 44 Prozent

Ist die Situation für die Pharmaindustrie in der Schweiz tatsächlich so ungemütlich? Wenn man die Umsätze von 2012 anschaut, sieht es für viele grosse Pharmafirmen keineswegs düster aus. Diese Daten, die jeweils der Marktforscher IMS Health zusammenträgt, liegen dem «Tages-Anzeiger» exklusiv vor. Nur gerade drei Firmen unter den Top Ten mussten einen Umsatzrückgang verbuchen. Das Resultat der gesamten Branche trübt stark, dass mit der amerikanischen Pfizer und der französischen Sanofi-Aventis zwei Konzerne zweistellige Einbussen hinnehmen mussten. Unternehmen wie Novartis, Roche oder die beiden US-Firmen Merck und Johnson & Johnson legten dagegen 5 Prozent und mehr zu.

Der Grund für die sinkenden Umsätze bei Pfizer und Sanofi-Aventis ist vor allem bei den umsatzstarken Medikamenten zu suchen. Einige davon haben 2012 den Patentschutz verloren und werden nun von Generika bedrängt.

Dennoch stellt sich bei der Mehrzahl der Unternehmen die Frage, ob sie nicht einfach auf hohem Niveau klagen. Wer im mittleren einstelligen Prozentbereich wächst und dabei erst noch hohe Margen erzielt, hat eigentlich kaum Anlass, sich zu beschweren. Zwar werden die Gewinnzahlen nicht pro Land ausgewiesen, bei einzelnen Firmen sind sie aber weltweit bekannt. Roche zum Beispiel weist in der Pharmadivision eine Marge von 44 Prozent aus. Bei Novartis sind es knapp 30 Prozent.

Spricht man die Unternehmen auf die Situation in der Schweiz an, sind jedoch vor allem Klagen zu hören. «Der Umsatzrückgang ist auf die massiven Preissenkungen bei den Medikamenten zurückzuführen und wird sich auch im laufenden Jahr fortsetzen», sagt Astrazeneca-Sprecher Rolf Zwygart. Die verordneten Preissenkungen würden 2013 voraussichtlich zu einem weiteren Rückgang von 15 Prozent führen. Das hiesse, dass der britisch-schwedische Pharmakonzern über 40 Millionen Franken weniger einnähme.

Mahnende Worte

Novartis rechnet aufgrund der Preissenkungen mit einer Einbusse von 50 Millionen Franken, wie Schweiz-Chef Pascal Brenneisen sagt. Trotzdem dürfte der Pharmakonzern im laufenden Jahr den Umsatz insgesamt leicht steigern, nicht zuletzt wegen neueingeführter Produkte. Dennoch mahnt Brenneisen die Politiker zur Vorsicht. Novartis sehe zwar weiterhin günstige Entwicklungsmöglichkeiten. Jedoch gebe es Tendenzen, denen politisch Aufmerksamkeit geschenkt werden müsse. «Die Politik sollte nicht die heute vergleichsweise gute Ausgangslage durch neue Regulierungen und problematische Initiativen verschlechtern», sagt Brenneisen. Konkreter wird er nicht.

Kritik übt auch der US-Pharmakonzern Merck. Die nun durchgeführte Preissenkungsrunde lasse die unterschiedlichen Preisniveaus, Kostenstrukturen und die Kaufkraft der einzelnen Länder aussen vor, mit denen die Schweizer Medikamentenpreise verglichen würden, sagt Sprecherin Angelika März. Zwischen 2005 und 2011 seien die Schweizer Preise gemäss der europäischen Statistikbehörde Eurostat bereits um mehr als 20 Prozent gesunken.

Interessant sind die Aussagen von Roche. «Weitere Preissenkungen sind für uns grundsätzlich unbestritten», sagt Sprecherin Silvia Dobry. Grundsätzlich seien jedoch wohlhabende Länder je nach Kaufkraft in der Lage, höhere Preise für forschungsintensive Medikamente zu bezahlen als ärmere. Roche weist darauf hin, dass die Entwicklung neuer Medikamente mit hohen Risiken verbunden ist. Jedes zweite Präparat scheitere in der letzten Phase der Entwicklung. «Innovation sollte entsprechend honoriert werden, damit wir weiterhin den Anreiz haben, dieses hohe Risiko einzugehen», sagt Dobry.

Basler Zeitung