Preissenkungen weiter in der Warteschlaufe

Pharma gewinnt gegen Berset

Trotz geplanter Preissenkungen dürfen Medikamente weiterhin teuer verkauft werden

Von Martina Wacker und Petra Wessalowski

Bern Geht es nach dem Gesundheitsminister Alain Berset, wäre seit dem 1. November knapp ein Drittel aller kassenpflichtigen Medikamente deutlich günstiger. Nun machen ihm die Pharmakonzerne einen Strich durch die Rechnung. Sowohl Roche als auch ­Novartis haben gegen die Preissenkungen rekurriert und teilweise recht erhalten, wie Bundes­gerichtsentscheide vom 20. Dezember zeigen. Die Unternehmen dürfen für einzelne Medikamente weiterhin einen deutlich höheren Preis verlangen.

Letztes Jahr setzte Berset durch, dass für Auslandpreisvergleiche ein Eurowechselkurs von 1.29 Franken angewendet wird anstatt 1.58 Franken wie zuletzt 2009. Daraufhin wurden gut 800 Medikamente überprüft. Berset sprach von Einsparungen in der Höhe von 240 Millionen Franken.Roche und Novartis wehrten sich allerdings und reichten beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde ein. Ihre Kritik: Dem therapeutischen Nutzen einzelner Präparate werde beim reinen Auslandpreisvergleich nicht Rechnung getragen. 

Um die Preissenkungen dennoch durchzusetzen, versuchte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die mit den Beschwerden verbundene aufschiebende Wirkung aufzuheben – erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht als auch das Bundesgericht haben diese nun gewährt. Die Medikamente Glivec (Leukämie) und Myfortic (Immunsuppressiva) von Novartis ­sowie Actemra (Rheuma), Cellcept (Immunsuppressiva) und ­Pegasys (Hepatitis B und C) von Roche werden weiterhin zum bisherigen Preis verkauft. Auf Anfrage be­stätigen sowohl Roche als auch Novartis den Sachverhalt. 

Pharmakonzern Sanofi hat ebenfalls Rekurs eingelegt

Nicht erfreut über den Bundesgerichtsentscheid ist Santésuisse. Der Krankenkassenverband rechnet damit, dass sich die geplanten Einsparungen von 240 Millionen Franken um 16 Millionen verringern werden. Zudem bestehe die Gefahr, dass bei der nächsten Preissenkungsrunde noch mehr Unternehmen rekurrieren werden, sagt Sprecherin Silvia Schütz.Laut gut informierten Quellen hat auch der Pharmakonzern Sanofi gegen die Preissenkungen Beschwerde eingereicht.Die Zahl der Beschwerden hält sich gemäss BAG in Grenzen. «Der Spareffekt wird sich reduzieren, kann aber noch nicht beziffert werden», sagt BAG-Sprecherin Sabina Helfer. 

Dass bei der nächsten Preissenkungsrunde per 1. November 2013 weitere Pharmaunternehmen Rekurs einlegen werden, hält auch Thomas Cueni, Generalsekretär des Branchenverbands Interpharma, für möglich. Er fordert schnellstmöglich einen politischen Entscheid über das künftige Preisfestsetzungssystem. Santésuisse und Interpharma hätten sich bereits im November auf einen gemeinsamen Kompromissvorschlag geeinigt.

Der 10-Punkte-Vorschlag enthält zwei zentrale Elemente: die Beschleunigung der Verfahren für die Aufnahme neuer Medikamente in die Spezialitätenliste sowie die ausgewogene Berücksichtigung von Auslandpreisvergleich und therapeutischem Quervergleich, so Cueni. Ein entsprechendes Schreiben liege Berset bereits vor. Kommt es zu dieser Lösung, sei Interpharma bereit, ihren Mitgliedern zu empfehlen, die hängigen Beschwerden zurückzuziehen und die Preisüberprüfungen von 2012 bis 2014 zu akzeptieren.

Publiziert am 06.01.2013 von: sonntagszeitung.ch