Preisüberwacher greift Pascal Couchepin an

Preisüberwacher greift Pascal Couchepin an

Die Grundversicherung vergüte zu viele Medikamente, kritisiert Rudolf Strahm. Gesundheitsminister Couchepin zwingt die Pharmaindustrie zwar, die Arzneimittelpreisezu senken. Dem Preisüberwacher geht das aber zu wenig weit. Er will die Liste kassenpflichtiger Arzneien radikal ausmisten.

Von Peter Burkhardt

Wenige Tage vor den Wahlen hält Preisüberwacher Rudolf Strahm ein brisantes gesundheitspolitisches Papier in der Hinterhand. In einem bislang unveröffentlichten Dokument, das dem «Sonntag» vorliegt, lässt sein Amt kein gutes Haar an der Medikamentenpolitik des Bundes: «Der Staat unterwirft einen immer grösseren Teil des Marktes der Verschreibungspflicht und entzieht diesen damit dem freien Marktgeschehen.» Das wirke enorm treibend auf die Krankenkassenprämien.

Schleichend werde der durch die soziale Krankenversicherung finanzierte Anteil des Medikamentenmarktes ausgedehnt, heisst es in dem Papier. «Die Krankenkassen sind dank der aktuellen Regelung der Übernahme der Medikamentenkosten zur weitaus wichtigsten Finanzierungsquelle der Pharmaindustrie geworden. Der Pharmamarkt ist zu einem grossen Selbstbedienungsladen verkommen, in dem sich alle, insbesondere auch die Anbieter, frei bedienen können. In diesem Self-Service ohne direkte Zahlungsverpflichtung scheinen Leistungserbringer ebenso wie die Patienten ihr Glück zu finden.»

Der Bund verstosse damit gegen das Prinzip einer angemessenen und zweckmässigen Versorgung zu möglichst günstigen Preisen, welche vom Krankenversicherungsgesetz postuliert wird. Mitschuldig an dieser Entwicklung sei das Departement Couchepin, findet der Preisüberwacher:

– Der Gesundheitsminister lege die geltenden Zulassungskriterien in einer allzu anbieterfreundlichen Weise aus. «Das im Gesetz festgehaltene Wirtschaftlichkeitskriterium wird schlicht nicht umgesetzt.»

– Das Bundesamt für Gesundheit nehme viele Medikamente ohne jeglichen therapeutischen Mehrwert in die Kassenpflicht auf – und das, obwohl sie nicht günstiger seien als bereits eingetragene Präparate.

– Die von Couchepin verordneten Preissenkungen seien «im besten Fall als Symptombehandlung», aber wohl eher «als Alibiübung» zu werten. Die Pharmaindustrie habe die erzielten Einsparungen zunichte gemacht, indem sie alte Präparate durch neue, weitaus teurere ersetzt habe. Damit hätten sie die Limiten von Couchepins Vorgehensweise aufgezeigt. Ein Paradigmawechsel erscheine deshalb notwendig.

Eine härtere Gangart verlangt Strahm in erster Linie bei der Zulassung von Arzneien zur Kassenpflicht:

– Präparate, die ein erfolgreiches Originalprodukt ohne eigene therapeutische Innovation nachahmen, sollen nicht mehr auf die Liste kassenpflichtiger Arzneien aufgenommen werden.

– «Scheininnovationen» – alte Medikamente, welche die Pharmahersteller leicht verändert, aber oft zu einem klar höheren Preis neu lancieren – will Strahm aus der Grundversicherung verbannen. Und zwar, indem die Hersteller gezwungen werden, den von ihnen behaupteten therapeutischen Mehrwert einer neuen Arznei klinisch nachzuweisen – so, wie das Deutschland, Grossbritannien und Schweden vormachen.

– Die Rekursmöglichkeiten der Pharmahersteller bei der Zulassung zur Kassenpflicht sollen abgeschafft werden, womit das Bundesamt für Gesundheit über freiere Hand für Preisänderungen oder die Nichtaufnahme in die Liste kassenpflichtiger Präparate verfügt.
Um wie viel die Krankenversicherten mit diesen Massnahmen entlastet werden könnten, kann Strahm nicht beziffern. Er hofft aber, damit den Trend laufend steigender Medikamentenkosten zu brechen.

Für Verärgerung hat Strahms Papier im Departement Couchepin gesorgt. Offiziell heisst es zwar, das Bundesamt für Gesundheit werde die Forderungen «mit Interesse anschauen und offen überprüfen». Hinter vorgehaltener Hand verlautet jedoch, Strahm wolle Couchepin kurz vor den Wahlen dessen Erfolg im Kampf gegen zu hohe Medikamentenpreise streitig machen.

Während der Krankenkassenverband Santésuisse die Forderungen des Preisüberwachers weitgehend unterstützt, sind sie für die Pharmaindustrie «extrem». Die Industrie sei durchaus offen für gesundheitsökonomische Analysen, sagt Thomas Cueni vom Branchenverband Interpharma. Strahm gefährde aber mit seinen Vorschlägen den medizinischen Fortschritt.

Vergleichende Studien zur Wirksamkeit neuer Medikamente seien zum Zeitpunkt der Einführung oft gar nicht machbar. Sie verzögerten die Einführung neuer Arzneien um mindestens zwei Jahre – so wie in Grossbritannien bereits geschehen. «Strahm macht Politik auf dem Buckel der Patienten. Werden seine Vorschläge umgesetzt, schränkt das ihre Auswahl massiv ein.» (mz/ufl)

Quelle: sonntagonline.ch