Schweizer fühlen sich von Ärzten schlecht informiert

Schweizer fühlen sich von Ärzten schlecht informiert

Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer fühlt sich laut einer Studie von ihren Ärzten ungenügend beraten. Besonders Tessiner beklagen sich über mangelnde Information.

Gemäss der Studie des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich (ISPMZ) geben nur 29 Prozent der befragten Tessinerinnen und Tessiner an, der Arzt erkläre ihnen ausreichend und verständlich die Vor- und Nachteile einer Therapie.

In der Deutschschweiz seien immerhin 45 Prozent mit der Kommunikation mit ihrem Arzt zufrieden, sagte Studienleiter Jen Wang am Donnerstag vor den Medien in Bern. Ähnliche Werte verzeichne die Romandie mit 43 Prozent.

Kaum Wahlmöglichkeiten
Besonders eklatant sei die Unzufriedenheit über die fehlende Auswahl bei der Behandlungsform. Im Tessin sagten gerade mal 12 Prozent der Befragten, ihr Arzt biete ihnen unterschiedliche Therapiemöglichkeiten an. In der Romandie waren es 21 Prozent, in der Deutschschweiz 28 Prozent.

Wang und sein Team befragten 650 Deutschschweizer und je 300 Westschweizer und Tessiner zu ihrer Gesundheitskompetenz. Sie wollten herausfinden, ob es in den drei grossen Sprachregionen Unterschiede in der Fähigkeit gibt, im täglichen Leben Entscheidungen zur Gesundheit zu treffen.

Im Tessin bestehe der grösste Nachholbedarf bei der Verständlichkeit der Gesundheitsinformationen, der Wahl der richtigen Behandlung und der Wahl der Krankenkasse, halten die Forscher fest. Aber auch in den anderen Regionen müsse die Gesundheitskompetenz gefördert werden.

36 Prozent der Tessiner empfinden Gesundheitsinformationen in den Medien als schwer verständlich. In der Romandie haben 26 Prozent Verständnisprobleme, in der Deutschschweiz 22 Prozent. Grund für die unterschiedliche Wahrnehmung sind laut den Wissenschaftern das leicht tiefere Bildungsniveau im Tessin, aber auch kulturelle und strukturelle Unterschiede.

Parlamentarier fordern Rahmengesetz
An einer Podiumsdiskussion zu den Ergebnissen der Studie kündigte Nationalrätin Bea Heim (SP/SO) noch für die laufende Session eine überparteiliche Motion an, welche die Förderung der Gesundheitskompetenz gesetzlich verankern soll.

“Wir brauchen ein Rahmengesetz, das Ziele in der Gesundheitsprävention formuliert”, forderte der Zürcher FDP-Nationalrat Felix Gutzwiller. Der Präventionsmedizinier leitet das ISPMZ.

Gerade benachteiligte Bevölkerungsschichten müssten in der Gesundheitskompetenz gezielt gefördert werden, sagte Ilona Kickbusch, Gesundheitsexpertin an der Universität Genf.

“Viele sind überfordert”
Die Akteure im Gesundheitssystem müssten sich bewusst sein, dass 20 Prozent der Bevölkerung bei Gesundheitsentscheidungen nicht voll kompetent seien, betonte die Genfer Professorin. Viele Menschen irrten sich bei der Medikamenteneinnahme oder könnten die Anweisungen ihres Arztes nicht richtig befolgen.

Franziska Troesch-Schnyder, Präsidentin des Konsumentenforums, forderte denn auch verständlichere Informationen für Patientinnen und Patienten. Risiken berge namentlich der Umstand, dass immer mehr Personen Antworten auf Gesundheitsfragen im Internet suchten.

Sie plädierte für die Zertifizierung von vertrauenswürdigen und besonders informativen Websites. Damit soll den Bürgern auch die Unterscheidung zwischen unabhängiger Information und Werbung von Pharma- und Nahrungsmittelindustrie erleichtert werden.

sda, 7.6.2007